Wann sind eigentlich Vorschüsse mit Umsatzsteuer auszuweisen? Wie ist vom Verwalter in diesem Fall die Jahresabrechnung zu erstellen und wie über die Abrechnungsspitze zu beschließen? Was muss geschehen, wenn sich unterjährig der Umsatzsteuersatz ändert, wie zum Beispiel 2020 im Zusammenhang mit Corona? Auf diese und weitere Fragen hat der Bundesgerichtshof in einer aktuellen Entscheidung vom 20.09.2024 (Aktenzeichen V ZR 195/23) Antworten gegeben und überaus hilfreiche Hinweise für die Praxis erteilt. Der nachfolgende Beitrag schildert die Entscheidung und die wesentlichen Inhalte in Kürze.
Der Fall:
Der Kläger in dem Verfahren war Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) und Eigentümer einer Teileigentumseinheit. Er war zum Vorsteuerabzug berechtigt und die Wohnungseigentümer hatten im Jahre 2009 beschlossen, dass die GdWE bei allen Lieferungen und Leistungen, die sie im Rahmen der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums an die zum Vorsteuerabzug berechtigten Eigentümer erbringt, auf ihre Umsatzsteuerfreiheit verzichtet und die Hausverwaltung somit bei allen Buchungsvorgängen die Umsatzsteuer zu erfassen und in den Abrechnungen jeweils auszuweisen hat.
Es kam das Jahr 2020 und mit ihm die Umsatzsteuerreduzierung für die Zeit vom 01.07. bis zum 31.12.2020 von 19 % auf 16 %. Die beklagte GdWE hatte vor der Umsatzsteuersenkung über den Wirtschaftsplan des Jahres 2020 beschlossen und dabei folgenden Wortlaut verwendet: „MwSt. Nebenkosten ohne RL“.
Im Folgenden berechnete dann die Verwaltung gegenüber dem vorsteuerabzugsberechtigten Kläger für die ersten sechs Monate die Vorschüsse unter Beaufschlagung von 19 % Umsatzsteuer und für die Monate Juli bis Dezember 2020 die Vorschüsse unter Beaufschlagung von 16 % Umsatzsteuer. In der Jahresabrechnung über das Kalenderjahr 2020 wiederum verrechnete die Hausverwaltung die Netto-Abrechnungssumme unter Addition des Rücklagenbeitrags und zog hiervon das netto geschuldete Vorschusssoll und den Sollbetrag zu der Instandhaltungsrücklage ab. Auf den hieraus sich ergebenden Differenzbetrag wurde sodann der Umsatzsteuerbetrag in Höhe von 16 % aufgeschlagen.
Hiergegen wendete sich der Kläger mit der Meinung, dass die entsprechenden Umsatzsteuerbeträge nicht richtig ausgewiesen seien, vor allem sei im Rahmen der Jahresabrechnung die erhöhte Umsatzsteuer für das erste Halbjahr des Wirtschaftsjahres nicht richtig berücksichtigt.
Die Entscheidung:
Während die I. Instanz die Klage abwies, gab die Berufungsinstanz der Klage statt. Der Bundesgerichtshof wiederum hob die Entscheidung der Berufungsinstanz auf und schlug sich auf die Seite der I. Instanz. Damit bestätigte er die Abrechnung des Verwalters als ordnungsgemäß und korrekt.
Grundlegendes:
Grundsätzlich und für alle Wohnungseigentümergemeinschaften interessant stellte der Bundesgerichtshof zunächst fest, dass eine Beschlussanfechtung gegen den Beschluss der Wohnungseigentümer über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse nur dann nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, wenn der Beschluss betragsrelevante Mängel aufweist. Wirken sich aber die Mängel nicht auf die Höhe der Abrechnungsspitze aus und damit letztlich auf die Zahlungspflicht der Wohnungseigentümer, kann die Beschlussanfechtungsklage keinen Erfolg haben (vgl. BGH a. a. O., Rn. 8).
Weiterhin erläuterte der Bundesgerichtshof, dass es einer GdWE möglich ist, auf die Befreiung von der nach § 4 Nr. 13 UStG bestehenden Umsatzsteuerfreiheit zu verzichten und zur Umsatzsteuer zu optieren, § 9 (1) UStG. In diesem Fall muss die GdWE den zum Vorsteuerabzug berechtigten Wohnungseigentümern die Umsatzsteuer in Rechnung stellen. Der steuerbare Umsatz im Sinne von § 1 (1) 1 UStG ist dabei das Hausgeld, es stellt das Entgelt der Wohnungseigentümer für die Leistungen der GdWE dar. Dies gilt es dann sowohl im Wirtschaftsplan als auch in der Jahresabrechnung zu berücksichtigen (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 9).
Sonderproblem Corona:
Soweit so einfach und soweit in vielen GdWE praktiziert. Vorliegend stellte sich dann aber das weitere Problem, wie mit einer Umsatzsteuerveränderung im Wirtschaftsjahr umzugehen ist. Der Bundesgerichtshof stellte sich dabei gegen die Auffassung des Berufungsgerichts und erläutert, dass aufgrund der Beschlussfassung im konkreten Einzelfall davon auszugehen war, dass die Wohnungseigentümer bei der Beschlussfassung über die Vorschüsse vom Wortlaut her ersichtlich eine variable Umsatzsteuer erfasst hatten, was dazu führt, dass der Hausverwalter berechtigt in den ersten sechs Monaten auf die Vorschüsse des Klägers 19 % Umsatzsteuer beaufschlagte und auf die zweiten sechs Monate des Jahres 2020 auf die Vorschüsse lediglich 16 %, ohne dass insoweit ein korrigierender Beschluss der Wohnungseigentümer nötig sei.
Ebenso bestätigte der Bundesgerichtshof das Vorgehen des Verwalters, wonach dieser dann bei der Jahresabrechnung aus den jeweiligen Nettowerten die Abrechnungsspitze ermittelte und schließlich den allein zum Jahresende gültigen reduzierten Umsatzsteuersatz in Höhe von 16 % beaufschlagte.
Folgen für die Praxis:
Möchte ein Eigentümer, der vorsteuerabzugsberechtigt ist, auch bei den in einer Wohnungseigentümergemeinschaft zu zahlenden Vorschüssen und bei der Abrechnungsspitze von seiner Vorsteuerabzugsberechtigung Gebrauch machen, bedarf es immer eines Beschlusses der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.
Ist ein solcher Beschluss getroffen, so schuldet die Verwaltung einen entsprechenden Umsatzsteuerausweis auf die Anforderung der Vorschüsse sowie auf die Abrechnungsspitze.
Die Umsatzsteuerhöhe ergibt sich dabei, mangels abweichenden Beschlussinhalts, immer aus der jeweils zum Rechnungszeitpunkt gültigen Umsatzsteuer.