Aufgepasst beim Wohnungskauf

Árpád Farkas, Anwalt für Immobilienrecht

Käufer, die Wohnungseigentum erwerben wollen, sind in jedem Fall gut beraten, vor Unterschrift des notariellen Kaufvertrags nicht nur die Teilungserklärung nebst Gemeinschaftsordnung und Aufteilungsplan genauestens zu studieren. Wie der BGH in einem aktuellen Fall mit Urteil vom 15.11.2024 – V ZR 239/23 – herausstellt, ist es auch wichtig, die Beschlusssammlung eingehend zu studieren. In dem angesprochenen Fall arbeitete der BGH die Bedeutung der „gesetzlichen Öffnungsklausel“ des § 16 (2) 2 WEG heraus, wonach Beschlüsse gefasst werden können, die auch eine in der Teilungserklärung geregelte Kostenverteilung ändern, selbst wenn damit Wohnungseigentümer entgegen den Bestimmungen in der Teilungserklärung erstmalig mit Kosten belastet werden.

Der Fall:

Die Kläger sind Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft. In einem Nachtrag zur Teilungserklärung war hinsichtlich der von den Klägern im Jahre 2022 erworbenen Sondereigentumseinheit geregelt, dass diese bis zum Anschluss an die Ver- und Entsorgungsleitungen kein Hausgeld und keinen Beitrag zur Instandhaltungsrücklage zu zahlen habe. Zum Zeitpunkt des Erwerbs der Sondereigentumseinheit durch die Kläger waren die entsprechenden Anschlüsse noch nicht hergestellt.


Allerdings hatte die Wohnungseigentümergemeinschaft in einer Eigentümerversammlung am 23. Juni 2021 beschlossen, in Abweichung zur Teilungserklärung ab dem Wirtschaftsplan 2021 näher bezeichnete Kosten auf alle Wohnungseigentümer nach Miteigentumsanteilen umzulegen. Dieser Beschluss wurde nicht angefochten und erwuchs in Bestandskraft.


Nachdem die Kläger nunmehr ihr Eigentum erwarben, wurde am 05. Juli 2022 in einer Wohnungseigentümerversammlung über die Vorschüsse für das Wirtschaftsjahr 2022 beschlossen. Hier war die Überraschung der Kläger groß, als sich herausstellte, dass in Anwendung des im Juni 2021 beschlossenen Verteilerschlüssels plötzlich Vorschüsse auf die Kläger zukamen sowie ebenso die Erhebung einer Sonderumlage zu Instandhaltungszwecken.


Dieses Ergebnis wollten die Kläger mit Verweis auf die Regelungen in der Teilungserklärung nicht gelten lassen und erhoben Anfechtungsklage. Das vorbefasste Amtsgericht wies die Anfechtungsklage zunächst zurück. Das Landgericht Berlin gab ihr jedoch statt, weil es der Auffassung war, dass der ursprüngliche den Verteilungsmaßstab ändernde Beschluss mangels Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer nichtig sei. Dem konnte sich aber der BGH nicht anschließen und bestätigte das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts.


Die Gründe:

In der Entscheidung arbeitete der BGH heraus, welche Bedeutung die seit dem 01. Dezember 2020 geltende Regelung des § 16 (2) 2 WEG für die Eigentümer hat. Im Unterschied zu Öffnungsklauseln in der Gemeinschaftsordnung ist durch die gesetzliche Regelung den Wohnungseigentümern ein weiter Spielraum ermöglicht, einerseits bestehende Kostenverantwortlichkeit und Verteilungsschlüssel zu ändern, andererseits sogar erstmalig Eigentümer entgegen den Bestimmungen in der Teilungserklärung mit Kosten zu belasten. Letzteres hatte der BGH bereits mit Urteil vom 22. März 2024 (Az.: V ZR 81/23) entschieden.


Da der Beschluss, mit dem die Eigentümer der zunächst kostenbefreiten Sondereigentumseinheit nunmehr an bestimmten Kosten teilzunehmen haben, bereits im Juni 2021 getroffen und nicht angefochten worden war, konnte dieser in Bestandskraft erwachsen. Nichtigkeitsgründe ergaben sich für diesen Beschluss nicht. Vor allem war der BGH der Auffassung, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft entsprechend § 16 (2) 2 WEG zu einer solchen Beschlussfassung die nötige Zuständigkeit besitzt.


Ist aber einmal ein Beschluss in einer Wohnungseigentümergemeinschaft über Kostenverteilungen getroffen, verlangt die ordnungsgemäße Verwaltung nach § 18 WEG in den nachfolgenden Beschlüssen über Vorschüsse und Sonderumlagen die Beachtung genau dieser Verteilungsschlüssel. Da dies die Wohnungseigentümergemeinschaft berücksichtigt hatte, musste die Klage der Wohnungseigentümer scheitern.


Folgen für die Praxis:

Es zeigt sich wieder einmal, welche Bedeutung die Gesetzesänderung und die „gesetzliche Öffnungsklausel“ in § 16 (2) 2 WEG nunmehr in der Praxis hat.


Für Erwerber einer Wohnungseigentumseinheit ist es essentiell wichtig, nicht nur Teilungserklärungen, Gemeinschaftsordnungen und Aufteilungsplan zu kennen und genauestens zu studieren. Auch das intensive Studium der Beschlusssammlung ist erforderlich. Findet sich in der Vergangenheit ein Kostenverteilungsbeschluss, der von den Regelungen in der Teilungserklärung abweicht, so hat dies auch Bedeutung für den Erwerber. Dieser muss sich darüber bewusst sein, dass er in seiner Zeit als Eigentümer eine Gemeinschaft erlebt, die sich an diese Beschlüsse halten muss.


Außerdem gilt bei Beschlussfassung über geänderte Kostenverteilungsmaßstäbe, dass diejenigen Eigentümer, die sich hiermit nicht abfinden wollen, innerhalb der gesetzlichen Anfechtungsfrist von einem Monat den Beschluss anfechten müssen. Erfolgt diese Anfechtung nicht, kann in den späteren Folgebeschlüssen, in denen der Kostenverteilungsbeschluss lediglich angewandt wird, nicht mehr eingewandt werden, dass der ursprüngliche Beschluss über die Änderung der Kostenverteilung nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprach. 

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