Überfahrtbaulast begründet kein zivilrechtliches Wegerecht
Árpád Farkas, Anwalt für Immobilienrecht
Wieder einmal hatte der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung (Urteil vom 24.01.2025 – V ZR 51/24) herauszuarbeiten, dass aus einer auf einem Grundstück lastenden öffentlich-rechtlichen Baulast keine zivilrechtliche Duldungspflicht des Grundstückseigentümers gegenüber dem Nachbarn resultiert, zugunsten dessen die Baulast gegenüber der Bauaufsichtsbehörde abgegeben wurde.
Der Fall:
Im Rechtsstreit lagen zwei Eigentümerinnen benachbarter Grundstücke. Die Grundstücke waren durch eine Grundstücksteilung entstanden. Die Klägerin nutzte ihr Grundstück zu Wohnzwecken und verfügte über einen Hof mit zwei Garagen, die jedoch nicht von einer Straße aus unmittelbar zugängig waren. Etwas anderes galt für das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück. Die Zufahrt zu den Garagen erfolgte statt über die Straße über einen gepflasterten, über das Grundstück der Beklagten verlaufenden Weg. Die Garagen waren baurechtlich genehmigt, andere Zufahrtsmöglichkeiten zur Garage bestanden nicht. Auf dem Grundstück der Beklagten ruhte eine Überfahrtbaulast zur Gewährung der Zufahrt zum Grundstück der Klägerin, unter anderem um die Garagen baurechtlich zu genehmigen.
Die Parteien gerieten in Streit über Fragen der Instandsetzung des beschädigten Weges durch fachgerechtes Pflastern sowie über die Entfernung jeglicher Gegenstände, die die Überfahrt zum Grundstück der Klägerin beeinträchtigten.
Die Entscheidung:
Die Duldungsklage der Eigentümerin des Garagengrundstücks ist nicht nur bei Amts- und Landgericht, sondern letztendlich auch vor dem BGH erfolglos geblieben.
Zunächst erkannten alle drei Instanzen, dass sich eine zivilrechtliche Duldungspflicht der Beklagten zur Nutzung des gepflasterten Weges nicht ergibt.
Entscheidend war insoweit zunächst, dass der Bundesgerichtshof seine schon in anderen Fällen herausgearbeitete Rechtsprechung bestätigte (vgl. z. B. Urteil vom 19.11.2021 – V ZR 262/20), wonach aus dem Bestehen einer Überfahrtbaulast kein zivilrechtlicher Nutzungsanspruch und auch keine zivilrechtliche Duldungspflicht des Grundstückseigentümers folgen kann. Eine Baulast ist eine freiwillige, öffentlich-rechtliche Verpflichtung eines Grundstückseigentümers gegenüber der Bauaufsichtsbehörde, wonach öffentlich-rechtliche Verpflichtungen zu einem ihn oder sein Grundstück betreffenden Tun, Dulden oder Unterlassen übernommen werden. Eine Baulast kommt immer dann in Betracht, wenn sich die entsprechende Verpflichtung nicht schon aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergibt. Entscheidend ist aber, dass die Baulast gegenüber der Bauaufsichtsbehörde gilt und den Grundstückseigentümer, der diese übernommen hat, bindet. Die Baulast hat keine unmittelbaren Wirkungen zu dem möglichen Nachbarn. Die Baulast als öffentlich-rechtliche Baubeschränkung gewährt privatrechtlich weder dem dadurch Begünstigten ein Nutzungsanspruch, noch verpflichtet sie den Eigentümer, die Nutzung zu dulden. Eine Überfahrtbaulast begründet also kein zivilrechtliches Wegerecht.
Weiter hatten die Gerichte im konkreten Einzelfall zu entscheiden, ob und inwieweit eine Duldungs- bzw. Instandhaltungsverpflichtung aus dem Notwegerecht gemäß § 917 (1) 1 BGB folgte. Alle drei Gerichte verneinten dies. Entscheidend stellten alle drei Instanzen dabei darauf ab, dass ein Notwegerecht nur insoweit in Betracht kommt, als dass ein Eigentümer ein Grundstück hat, das nicht von einer öffentlichen Straße aus angefahren werden kann. Dies war vorliegend, was das Grundstück generell sowie das auf dem Grundstück befindliche Wohnhaus betraf, aber der Fall: Das Grundstück war von der öffentlichen Straße aus erreichbar.
Etwas anderes galt lediglich für die auf einem anderen Grundstücksteil befindlichen Garagen. Hier entschied jedoch der Bundesgerichtshof, dass das Abstellen von Kraftfahrzeugen auf dem Grundstück (anders als die Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen zum Grundstück) für die ordnungsgemäße Benutzung des Wohngrundstücks nicht notwendig ist und sich das Notwegerecht auf diese Befugnis nicht erstreckt. Eine ordnungsgemäße Benutzung zu Wohnzwecken ist selbst dann gewährleistet, wenn keine Kraftfahrzeuge auf dem Grundstück abgestellt werden können (Bestätigung des BGH-Urteils vom 19.11.2021 – V ZR 262/20).
Folgen für die Praxis:
In der Praxis ist streng zu unterscheiden zwischen dem Verhältnis der Grundstückseigentümer untereinander und dem Verhältnis des Grundstückseigentümers zur öffentlichen Hand, z. B. zur Bauaufsichtsbehörde. Das letztere Verhältnis wird bestimmt durch eine Baulast. Diese verpflichtet den Grundstückseigentümer gegenüber der Bauaufsichtsbehörde zu einem nicht schon aus anderen Rechtsvorschriften folgenden Tun, Dulden oder Unterlassen. Soweit es um die Rechtsbeziehung der Eigentümer untereinander geht, sind vertragliche Absprachen oder aber das gesetzliche Notwegerecht erforderlich, um Benutzungs-, Instandhaltungs- oder Unterlassungsansprüche geltend zu machen.